Die Welt ist meine Spielwiese

Ruedi Gamper frönt seiner Lieblingsbeschäftigung


St. Galler Nachrichten 20. Mai 2016

Ob auf dem Surfbrett, dem Snowboard oder im Kanu – Wasser ist das Element des gebürtigen Waldstätters Ruedi Gamper. Mit seinem Kajak macht er nicht nur die Gewässer in der Ostschweiz unsicher, sondern weltweit. Egal, ob er mit Velo und Kajak um den Säntis fährt oder sich todesmutig durch die Big Banana Section in Mexiko kämpft, entscheidend ist, dass es Spass macht.

Benjamin Schmid

Ohne Furcht stürzt sich Ruedi Gamper den Wasserfall hinab.

Mülenenschlucht - Schon seit frühester Kindheit wurde Ruedi Gamper stetig vom Wasser begleitet. Bald zeigte sich, dass nicht nur sein Vater, sondern auch er selbst von der überwältigenden Faszination des Wassers in den Bann gezogen wurde. «Ich verbrachte jede freie Minute in der Natur, sei es im Alpstein am Wandern und Klettern, über die hügeligen Appenzeller-Voralpen am Biken oder am Kajakfahren der Sitter entlang.» Schnell fand Gamper im Skateboarden nicht nur Fun und Spass, sondern auch persönliche Herausforderungen und etliche Challenges.

Vom Skate- aufs Snowboard
Die ersten Sporen verdiente sich der «Dynamic Dude», wie er von seinen Freunden liebevoll genannt wird, mit stundenlangem Skateboarden im Sommer und noch viel längeren Jamsessions im Winter mit dem Snowboard. «Wir verbrachten ganze Tage damit, auf der Schwägalp die höchsten und spektakulärsten Kicker zu bauen und danach natürlich auch zu befahren. Teilweise halb steifgefroren und mit blauen Flecken übersät, aber mit einem breiten Grinsen im Gesicht, kehrten wir bereits nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause zurück.» Dieser Fleiss und die an den Tag gelegte Ausdauer sollten sich wenige Jahre später bezahlt machen. Denn Ruedi Gamper durfte sich selbstbewusst zum erweiterten Kreis der Spitzensnowboarder zählen. Während einigen Jahren pendelte er zwischen Arbeit und Snowboarden hin und her, immer auf der Suche, die perfekte Line in den Pulverschnee zu ziehen oder stylisch über möglichst hohe Kicker zu backflippen.

«Du hängst in der Luft»
2010 sollte sich das Leben von Gamper aber fundamental ändern. An der O’Neill Evolution in Davos verletzte er sich derart übel, dass an eine Fortsetzung seiner Karriere nicht mehr zu denken war. «Im ersten Moment begriff ich nicht, was gerade geschehen war. Alles wirkte surreal und mir war nicht im Geringsten bewusst, was passiert ist. Dann drang neben den Schmerzen auch die Gewissheit ins Bewusstsein: Es ist vorbei! So viel Arbeit, Fleiss und Geld hast du in deinen Traum investiert und jetzt hängst du in der Luft und unter dir klafft ein tiefes, dunkles Loch.»
Doch Gamper wäre nicht er selbst, wenn er in dieser finsteren Zeit die Hoffnung verloren hätte. «Klar war es hart und schmerzlich, aber es gibt nur eine Richtung, und die ist nach vorne.» Im ersten Moment brauchte er sowieso Abstand von der Extremsportszene und fand dadurch zu seiner zweiten Leidenschaft – der Produktion und Herstellung von speziellen Biersorten und Spirituosen. Fortan war er in der Gastronomie tätig und versuchte sich erfolgreich, auf dem Markt zu positionieren. Trotz grossem Interesse und der Hingabe, mit der er sich mit seinem Metier auseinandersetzt, war und ist die Arbeit auch immer ein Stück weit Mittel zum Zweck. Reisen, unterwegs und in Bewegung sein, das ist die wirkliche Passion des Weltenbummlers, der trotz seiner langen und ausgiebigen Reiseabenteuer immer wieder gern zu «seinem Säntis» zurückkehrt. «Aber diese Projekte müssen einerseits finanziert und andererseits auch gut organisiert werden, weshalb ich St.Gallen als meine Homebase ausgesucht habe.»

Weltpremiere an der Thur
Ruedi Gamper liebt die Dynamik und Schnelllebigkeit des Wassers und die damit einhergehenden Veränderungen und Anpassungen. «Es gibt nichts Schöneres, als vor einer Schicht in der Baracca-Bar das Kanu zu fassen, nach Appenzell zu fahren und der Sitter entlang nach St.Gallen zu paddeln.» In den nächsten zwei bis drei Wochen steht für den Barkeeper und Geschäftsführer der Baracca-Bar in St.Gallen eine grosse Herausforderung an – die Erstbefahrung des «Obersten Thurwasserfalls» im Toggenburg. Nach über zwei Jahren Vorbereitung und unzähligen Versuchen, den Wasserfall zu bezwingen, soll es noch im nächsten Monat soweit sein. «Ich und mein Team sind bereit, wir fühlen uns gut und sind zuversichtlich, dass sich der Wettergott gnädig zeigt.» Während die unteren drei Thurwasserfälle regelmässig von ihm und seinen Kollegen befahren werden, trotzte der oberste Wasserfall bisher all ihren Versuchen.

So lange auskosten wie es geht!
«Kaum ist ein Projekt realisiert worden, spuken auch schon wieder etliche neue Touren im Kopf umher», sagt Gamper und fügt hinzu: «Für nächstes Jahr plane ich analog zu meiner Südamerika-Reise 2015 einen längeren Trip durch Europa.» Unter dem Motto «Wer partizipieren möchte, der ist stets herzlich willkommen», fliegt der Extremsportler mit dem Gleitschirm vom bündnerischen Piz Palü nach Disentis, von wo er mit dem Kanu alles dem Rhein entlang bis nach Rotterdam paddeln möchte. Doch damit nicht genug, von Rotterdam aus will er, nur mit Velo und Surfbrett ausgerüstet, sich der Atlantikküste entlang bis nach Portugal hinab fortbewegen. » Bei seinen Projekten stehe stets der Spass im Vordergrund, aber natürlich brauche es eine seriöse Vorbereitung und man müsse seine Grenzen kennen. «Je mehr Übung, desto sicherer bewegt man sich durch die Natur – und je sicherer man sich fühlt, desto mehr Vergnügen bereitet einem die wilde Natur.»