Hermano - Geistheiler und Hynotiseur

Das untere Hermano-Haus wurde später zum Kurhaus Sunnematt. Hier ist der Bau altersgerechter Wohnungen geplant. (pe)


Appenzeller Zeitung vom 27. Juli 2016

Vor 100 Jahren wurde Hermann Michel in Waldstatt geboren. Durch die heilerische Tätigkeit brachte die charismatische Persönlichkeit während einiger Jahre scharenweise Kurgäste nach Heiden. Zwei Häuser zeugen heute noch davon.

PETER EGGENBERGER

HEIDEN. Die Eltern von Hermann Michel arbeiteten als einfache Leute in Appenzeller Textilbetrieben. Aus wirtschaftlichen Gründen zügelte die Familie in den Kanton Aargau. Sechs Schuljahre absolvierte der aufgeweckte Hermann in einem Walliser Kollegium, und bereits hier wurden seine suggestorischen Fähigkeiten erkannt. Nach der Tätigkeit in einer Spinnerei in Neuenhof AG und der Heirat mit der Thurgauerin Rosa Kessler begann Hermann Michel eine Karriere als gefeierter Bühnenkünstler.

Bühnenkünstler und Geistheiler
Michels Fähigkeiten waren überdurchschnittlich, vermochte er doch praktisch jedermann in kürzester Zeit zu hypnotisieren. Jetzt war seine Show in allen grossen Sälen des Landes gefragt, und das renommierte Corso-Theater in Zürich vermochte der zum Hermano gewordene Künstler regelmässig zu füllen. Parallel zu seinen Bühnenauftritten stellte er seine geistigen Kräfte auch in den Dienst kranker Mitmenschen, und 1940 eröffnete er in Ennetbaden eine Praxis. Schon bald wuchs ihm der Erfolg über den Kopf, so dass er mit seiner Familie nach dem Zweiten Weltkrieg kurzentschlossen nach Chile auswanderte. 1951 verlegte Hermano seinen Wohnsitz nach Heiden, wobei die in Ausserrhoden gesetzlich verankerte freie Heiltätigkeit diesen Schritt massgeblich beeinflusste. Sofort war auch hier der Patientenzulauf enorm, und inkognito suchten sogar Angehörige der Königshäuser von Ägypten und Belgien Heilung in Heiden. Mittels Handauflegen übertrug er seine Kräfte auf Kranke, die als Geheilte Michels Ruf festigten. Zügig liess er die eingangs erwähnten beiden Häuser erbauen, um Patienten standesgemäss beherbergen zu können.

Missgunst und Neid
Sowohl seitens der Schulmedizin als auch der weniger erfolgreichen Naturärzte wurde Hermanos Wirken kritisch verfolgt und oft als unglaubwürdig belächelt. Neid und Missgunst setzten ihm zu, und bereits 1956 kehrte das Ehepaar Michel mit seinen elf Kindern in den Aargau zurück. In der neuen Praxis konzentrierte er sich auf die Raucherentwöhnung, und aufschlussreiche Einblicke in diesen Bereich gewährt die 1976 erschienene Dissertation von Psychiater Mario Gmür, Zürich, mit dem Titel «Die Raucherbehandlung des Handauflegers Hermano».

Kurhaus Sunnematt
1979 verstarb Hermann Michel, dessen Tochter Magdalena Pia (Madeleine) später in seinem Sinn und Geist in Heiden heilerisch wirkte.

Hermanos unteres Haus wurde in der Folge von der Krankenkasse der Firma Sulzer, Winterthur, erworben. Die Leitung wurde 1984 Paul und Madeleine Girsberger anvertraut, die das Haus später erwarben und unter dem Namen Kurhaus Sunnematt fast dreissig Jahre lang erfolgreich führten. Als neue Eigentümerin plant hier die Kurwohnen AG eine Überbauung mit Alterswohnungen samt Serviceleistungen und einem Pflegezentrum.