Ein Abenteurer mit einem verrückten Plan

Ruedi Gamper ist am Berg, in der Luft und auf dem Wasser zu Hause.


Appenzellerzeitung vom 1. Juni

VON ST.GALLEN NACH ROTTERDAM ⋅ Per Velo, zu Fuss, mit Gleitschirm und Kajak: So will der St.Galler Ruedi Gamper von St.Gallen über das Engadin bis nach Rotterdam kommen - und das in nur zwei Wochen. Am meisten Respekt hat der Abenteurer vor dem Alleinsein und dem Hunger.

Christa Kamm-Sager

Ruedi Gamper ist normalerweise im Wildwasserkajak unterwegs. Aber für sein Rhein-Projekt trainiert er mit dem Seekajak auf dem Bodensee. (Bodo Rüedi)

"Ich möchte meine Träume in die Tat umsetzen, intensiv leben, das Abenteuer vor der Haustüre suchen", philosophiert Ruedi Gamper über seinen verrückten Plan, den er vor vier Jahren zu spinnen begonnen hatte. Am Pfingstmontag geht es los. Dann startet der St.Galler Barkeeper und Abenteurer in Richtung Engadin. Die erste Etappe bis an den Fuss des Piz Palü legt er in einem Tag mit seinem Velo zurück. Mit dabei hat er seinen Gleitschirm, den gibt er nicht aus den Händen. Mit diesem möchte er am nächsten Tag bei guten Bedingungen vom Piz Palü nach Disentis fliegen - die einzige Strecke, auf der ihn ein Freund begleiten wird. Auf den Piz Palü kommt er zu Fuss - rennend. "Das Alleinsein, meine Emotionen nicht teilen können, wird mir nicht leicht fallen. Ich bin in meinem Alltag immer unter vielen Leuten."

Gehörige Portion Respekt
Vor dem Fliegen habe er am meisten Respekt, sagt der 34-Jährige. Noch nicht so lange übt sich der sportliche Tausendsassa als Gleitschirmpilot. Er habe nie Angst, aber eine gehörige Portion Respekt gegenüber all dem, was er tue. Ein schwerer Snowboardunfall im Winter 2010 hat diesen Respekt noch akzentuiert. "Ich musste nach dem Unfall ein Jahr lang wieder gehen lernen. Fast wäre ich zum IV-Fall geworden", so Gamper. Doch dieses Erlebnis hält ihn nicht davon ab, seine körperlichen Grenzen zu suchen, intensiv zu leben und nichts aufzuschieben.

Seine Abenteuerlust hat er auch seinem Vater zu verdanken, der selber oft mit dem Kanu unterwegs war und seinen Sohn mitgenommen hat. Als Schüler sei er dann oft alleine mit dem Zug von Waldstatt nach Urnäsch und dort mit dem Kajak auf der Urnäsch zurück nach Hause gefahren. Seine Mutter habe nicht immer gewusst, was ihr Sohn an den freien Nachmittagen so treibe. Das sei wohl auch besser so gewesen. "Ich bin praktisch im Kanu aufgewachsen, das ist mir vertraut."

Dank seiner Jugend im Appenzellerland liebt er aber auch die Berge. In Peru hat er schon alle 5000er bestiegen und schon plant er auch das übernächste Projekt, das ihn nach Nepal führen soll.

Jede Menge Kalorien
Die längste Strecke auf seiner Reise von der Rheinquelle bis zur Rheinmündung in Rotterdam legt er denn auch auf dem Wasser zurück. Zuerst von Disentis nach Versam im Wildwasserkajak, dann steigt er um auf das Seekajak, das er vorher samt allem nötigen Material dort deponiert. Mit dabei ist ein Zelt, Schlafsack und Mätteli, eine Apotheke, ein Wasserfilter und genügend energiespendende Nahrung. "Ich werde jede Menge Kalorien benötigen auf dieser Tour und habe etwas Angst davor, dass ich zu wenig Essen mitführen kann", so Gamper. Denn die Tour unterbrechen wird er nur zweimal für einen kurzen ärztlichen Check am Rheinspitz und in Basel.

"Ich weiss nicht, wie viele Kilometer ich insgesamt zurücklegen werde bis Rotterdam. Das interessiert mich nicht", sagt Gamper. Für ihn zählt die körperliche Herausforderung, das Erlebnis, der Kick, an die eigenen Grenzen zu stossen. "Ich möchte mit diesem Projekt zeigen, dass es auch vor der Haustüre Abenteuer zu erleben gibt, dass Aktivität glücklich macht", sagt Gamper, der auch Kanulehrer ist. Und ganz nebenbei wird er vielleicht auch einen Weltrekord knacken: Wenn er die Strecke zwischen Chur und Rotterdam unter sechs Tagen zurücklegt.

www.ruediontour.ch