Eindrücklich, ohne Schiene und Zug


Appenzellerzeitung vom 24. Juli

Im Rahmen der Sommeraktion stellt die Appenzeller Zeitung heute ein Gebäude vor, das einst von Waldstatt nach Urnäsch verlegt worden ist. Am alten Ort diente es Bahn-Fahrenden, am neuen Waldarbeitern sowie Pferden. Seit ein paar Jahren ist es öffentlich zugänglich und benützbar.

LUKAS PFIFFNER

URNÄSCH. Dass sich im Bettenloch, einem waldigen Punkt zwischen Rossfall und Schwägalp, ein Bahnhof mit der Original-Stationstafel «Waldstatt» befindet, ist die eine Erstaunlichkeit (siehe Zweittext auf dieser Seite). Dass das Gebäude ohne Voranmeldung öffentlich zugänglich ist, im Innern gegessen und sogar übernachtet werden kann, ist die zweite überraschende Erkenntnis.

Die Bettstätten im Bettenloch stammen zwar nicht gerade von der deutschen Firma des gleichen Namens, die sich der Herstellung und dem Vertrieb von Bettwaren widmet. Aber das Strohlager im oberen Stock stellt in Kombination mit dem Essraum im Erdgeschoss, der Feuerstelle, dem Holzvorrat und den Sitzgelegenheiten im Freien ein bemerkenswertes Angebot dar.

Es dürfte schon verschiedenartiges «Publikum» froh gewesen sein um den alten Waldstätter Bahnhof: Zum Beispiel müde Wanderer auf der Suche nach ein wenig Ruhe, verregnete Gruppen mit Bedarf an Unterschlupf und etwas Warmem, Schulklassen und Vereine mit der Möglichkeit eines gemütlichen Grillanlasses in idyllischer Umgebung. Der alte Bahnhof, auf den keinerlei Schilder hinweisen, beeindruckt punkto Erscheinung und Lage ohne Schiene und Zug. Zufällig dürften wohl nur wenige Personen hierher kommen. Unweit des Gebäudes sind auch einzelne stotzige Hänge auszumachen. Am einfachsten und völlig unproblematisch ist der Weg von der Steinflue über Gross Gerstengschwend.


Abgebrochen und wieder aufgebaut

1875 fuhr der erste dampfbetriebene Zug von Herisau nach Urnäsch; in Waldstatt wurde der erste Bahnhof in Betrieb genommen. Nach 50 Jahren schon hatte der einfache Zweckbau aber ausgedient – ein grösseres Bahn- und Postgebäude ersetzte ihn. Ulrich Nabulon aus Urnäsch kaufte den alten Bahnhof, so berichten Chronisten. Er liess das Gebäude abbrechen, transportierte die Holzteile mit Pferdefuhrwerken in den Bettenwald und zimmerte diese wieder zusammen. Der alte Bahnhof wurde am neuen Ort als Pferdestall und Unterkunft für Waldarbeiter genutzt. Lange Zeit stand das Gebäude dann kaum beachtet im Bettenloch. 2001 ergriff alt Regierungsrat Alfred Stricker senior die Initiative, den alten Bahnhof wieder zu beleben. Eine Gruppe von Waldstättern um Hüttenwart Werner Zellweger ist für die Instandhaltung und die Umgebungsarbeiten zuständig. An der Aussenwand hängt ein Begrüssungsschild mit dem Wunsch nach Ordnung. «Es kommt nur selten vor, dass sich Gäste daneben benehmen», ist auf der benachbarten Gross Gerstengschwend zu vernehmen. (pf)


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