Ein schrecklicher Tod zum Feiern

Naila Miguel Sessa hat als Gidiopfarrerin während eines Jahres Notizen für ihre Predigt gemacht. (Bild: Stefan Etter)


Appenzeller Zeitung vom 17. Februar

WALDSTATT. Allein die Waldstätterin Naila Miguel Sessa weiss, welch tragischen Tod Gidio Hosestoss in diesem Jahr ereilen wird. Darüber hat die 15-Jährige ein ganzes Jahr gebrütet, während sie den fasnächtlichen Trauerumzug geplant hat.

STEFAN ETTER

Mit ausdrucksloser Miene schaut er auf die Menschenmenge herab – angebunden an einen Holzpfahl, der auf dem Scheiterhaufen thront. Lodernde Flammen verschlingen die dürren Weihnachtsbäume, und verwandeln den Leib von Gidio Hosestoss in Asche und Staub. Schmerzen verspürt er keine mehr, da er bereits zuvor aus dem Leben geschieden ist.

Puppe in schwarzem Frack
Dies ist das grosse Finale, das sich am Funkensonntag in Waldstatt abspielen wird. Morgen nachmittag findet aber zuerst die alljährlich wiederkehrende Abschiedszeremonie von Gidio statt: einer in einen schwarzen Frack gekleideten Strohpuppe, die heuer zum 105. Mal einem tragischen Unglück erlegen ist.

Welches die Todesursache ist, enthüllt jeweils die Gidiopfarrerin oder der Gidiopfarrer. Meist ist es eine Anspielung auf aktuelle und regionale Ereignisse, die Art und Weise ist aber jedes Jahr eine andere. Heuer ist die 15jährige Naila Miguel Sessa Gidiopfarrerin. Sie wurde traditionell von ihrer Vorgängerin ausgewählt. «Damit hatte ich nicht gerechnet», sagt Naila. Sie habe gezögert und sich überlegt, was auf sie zukomme. «Da mir meine Mutter aber ihre Unterstützung zusicherte, sagte ich zu.»

Organisation des Trauerumzugs
Laut Naila ist es eine Ehre, als Gidiopfarrerin ernannt zu werden. Gleichzeitig sei es aber auch eine Aufgabe, die mit viel Aufwand verbunden sei. Unterstützung erhielt Naila von ihrer Vorgängerin. «Sie gab mir Tips sowie mehrere Ordner mit Checklisten, damit ich nichts vergesse.»

So gehört es beispielsweise zu den Aufgaben einer Gidiopfarrerin, den Trauerumzug zu organisieren. An der Spitze steht die schwarz gekleidete Gidiopfarrerin – gefolgt von der auf einem Holzwagen aufgebahrten Gidiopuppe, ihren Trauergästen und einem Tross Leiterwagen, auf denen Waldstätter Schüler aktuelle Dorfgeschichten gestalterisch darstellen. Den Schluss des Umzugs bildet das Fussvolk.

Noch vor Weihnachten hat Naila diverse Geschäfte in Waldstatt mit der Bitte angeschrieben, den Anlass finanziell zu unterstützen oder beim Umzug Gaben wie zum Beispiel Süssigkeiten bereitzustellen. «Bereits Anfang Januar habe ich die ersten Rückmeldungen und einige Geldspenden erhalten.» Dies veranschauliche auch die grosse regionale Bedeutung.

Predigt mit Augenzwinkern
Die Königsdisziplin einer Gidiopfarrerin ist jedoch das Schreiben der Predigt. Diese ist traditionell durch Lokalgeschichten sowie internationale Ereignisse geprägt und drückt mit einem Augenzwinkern das Bedauern über den tragischen Tod von Gidio aus. Dies hat Naila an einem Wochenende im Januar auf drei Seiten beschrieben. «Das Geheimnis lüfte ich aber erst während meiner Predigt.»

Die 15jährige Waldstätterin ist froh um die Erfahrungen, die sie als Gidiopfarrerin und durch die Telefonate und Gespräche gesammelt hat. «Da ich oft mittags oder abends arbeiten musste, war es nicht einfach, alles unter einen Hut zu bringen. Doch ich habe gelernt, diesen Anlass zu organisieren und Verantwortung zu übernehmen.»