Nachwuchstalent Michael Schiess bleibt Waldkirch-S

«Wir haben eine rosige Zukunft vor uns», sagt Michael Schiess. (Bild: Benjamin Manser)


Appenzeller Zeitung vom 16. Februar

NLA-UNIHOCKEY ⋅ Der 20-jährige Michael Schiess träumt vom Meistertitel. Dennoch wechselt der Stürmer von Waldkirch-St.Gallen im Sommer nicht zu einem Spitzenteam. Obwohl er gute Angebote dafür hatte.
Raya Badraun

Michael Schiess ist begehrt. In diesem Winter bekam der Stürmer von Waldkirch-St.Gallen vier Angebote von anderen Clubs. Sie alle wollten den 20-Jährigen für die kommende NLA-Saison unter Vertrag nehmen. Darunter war auch ein Spitzenteam. «Es reizt mich, irgendwann einmal um den Titel zu spielen oder ein Aufgebot für das Nationalteam zu bekommen», sagt Schiess. Dafür wäre er gar bereit, seinen Alltag umzustellen und seinen Lebensmittelpunkt nach Bern oder irgendwann ins Ausland zu verlegen. Unihockey hat den grössten Stellenwert in meinem Leben», sagt der Ostschweizer, der in der ersten Klasse angefangen hat zu spielen.

Schon oft hat Schiess alles andere dem Sport angepasst. Zum Beispiel damals, als am gleichen Tag die Konfirmation und ein Playoff-Spiel stattgefunden hatte. Am Morgen war er für die Feierlichkeiten kurz in die Kirche gegangen, danach holte ihn der Trainer ab und fuhr mit ihm nach Bern. Umgezogen hat er sich im Auto. «Die Verwandten hatten nicht so Freude», sagt Schiess mit einem Schmunzeln. Während er Unihockey spielte, mussten sie alleine essen gehen. Am Fokus hat sich seither nichts verändert. Dennoch hat sich der Appenzeller aus Waldstatt vor zwei Wochen gegen das Spitzenteam entschieden. Am Mittwoch wurde schliesslich die Vertragsverlängerung mit Waldkirch-St. Gallen bekannt gegeben. «Es war kein einfacher Entscheid», sagt er.

Unihockey-WG und eine Weltreise
Schiess spricht gerne über den guten Zusammenhalt im Team. Dieser sei ungewöhnlich gross für den Leistungssport. Im vergangenen Sommer war Schiess mit einem Mitspieler für drei Monate auf Weltreise, hat Tokio, Australien, Neuseeland, Hawaii und die USA besucht. Und bald zieht er mit Teamkollegen in eine gemeinsame Wohnung. Es ist längst nicht die erste Unihockey-WG in der Stadt St.Gallen. Doch damit hat seine Entscheidung für Waldkirch-St.Gallen und gegen das Spitzenteam nur wenig zu tun. «Es ist schliesslich meine Karriere, mein Leben», sagt Schiess, der zur Zeit die Passerelle macht und im Sommer an die Pädagogische Hochschule gehen möchte. In der Ostschweiz bleibt er, weil er an das sportliche Potenzial seiner Mannschaft glaubt. «Wir haben eine rosige Zukunft vor uns», sagt Schiess.

Vor zwei Jahren entschied sich der Verein, keine ausländischen Spieler mehr zu holen. Um sie und ihre Wohnung zu bezahlen, fehlten Waldkirch-St.Gallen die finanziellen Mittel. Die freien Plätze im Kader wurden schliesslich mit jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs besetzt. Zu ihnen gehörte auch Schiess, der damals gerade 19 Jahre alt geworden war. «Viele Aussenstehende hatten das Gefühl, dass wir nun keine Chance mehr hätten», sagt er. Dem war jedoch nicht so – ganz im Gegenteil. Die vergangene Saison war so erfolgreich wie keine davor. Während die Leistung früher von ein paar wenigen abhing, wurde die Verantwortung plötzlich auf verschiedene Schultern verteilt. Und auch die Einstellung änderte sich. «Die älteren Spieler hatten in den vergangenen Jahren oft gegen den Abstieg gekämpft, das nagte an ihnen», sagt Schiess. «Wir Jungen hingegen brachten dank den Erfolgen in der Juniorenzeit viel Siegeshunger mit.»

Nicht nur der Verein hatte eine starke Saison, auch Schiess brillierte. So verbuchte er damals pro Spiel durchschnittlich ein Tor und ein Assist. «Was er bei hohem Tempo alles leisten kann, ist unglaublich», sagt Trainer Fabian Arvidsson. «Das können nur wenige.» Zudem sieht er ihn trotz seines Alters als Leader – vor allem im Training. Mit seiner Einstellung zeige er den anderen den Weg auf. «Er hat grosse Erwartungen an sich – und an seine Mitspieler», sagt Arvidsson.

Wenn nicht jetzt, dann in einem Jahr
In Zukunft will Schiess noch mehr Verantwortung übernehmen – und eine wichtige Rolle in der positiven Entwicklung des Teams spielen. «Ich bin überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind», sagt er. In dieser Saison hatte Waldkirch-St.Gallen einen starken Start. Doch dann verletzten sich einzelne Spieler. So rutschte die Mannschaft auf Rang neun ab. Doch noch immer fehlt nur wenig für einen Playoff-Platz. «Wir wären alle nicht zufrieden mit dem Playout», sagt Trainer Arvidsson. «Unser Ziel ist es, das Playoff. Wenn nicht dieses Wochenende, dann zumindest in einem Jahr.»