Planen ist das A und O

Der Oberstufenschüler Chris River ist der diesjährige Gidio-Pfarrer von Waldstatt. (Bild: MIC)


Appenzeller Zeitung vom 28. Februar 2017

WALDSTATT ⋅ Jedes Jahr am Aeschermittwoch wird der Gidio durch Waldstatt gefahren. Die Hintergründe zu seinem Leben und zur Todesursache bestimmt ein Schüler der Oberstufe.

Michel Krüsi

Mitten im Dorfzentrum wohnt der 14-jährige Chris River, der diesjährige Gidio-Pfarrer von Waldstatt. Sein Gewand passt ihm wie angegossen, auch die Kappe sitzt. Lediglich wo er stehen soll, weiss er beim Fototermin noch nicht.

Den Inhalt seiner Trauerrede, wie der Gidio gelebt hat und weshalb er gestorben ist, darf Chris River erst am Morgen des Aeschermittwochs preisgeben. Seine Geschichte wird in den berüchtigten Gidio-Ordnern abgelegt, wo seit 1980 Gidio-Geschichten eingetragen sind. Sein Entschluss, Gidio-Pfarrer zu werden, war eine spontane Entscheidung. «Jonas Wanner, der letztjährige Pfarrer, hat mich angefragt, ob ich sein Amt übernehmen wolle. Da ich gerne Herausforderungen bewältige, habe ich angenommen.» Chris River ist nach Jonas Wanner der zweite männliche «Pfarrer», nach neun Gidio-Pfarrerinnen. «Ich denke, es ist wichtig, dass der Gidio-Pfarrer einigermassen gut in der Schule ist, denn der organisatorische Aufwand, der mit dem Amt verbunden ist, ist gross und zeitintensiv.» Er sei nicht allzu schlecht in der Schule, aber etwas faul. Zusammen mit einem Freund organisiert Chris River den Umzug. «Die Verantwortung ist natürlich gross, ich musste mich bei der Feuerwehr und der Polizei melden und ihnen meine Ideen vorlegen.» Geplant wird schon seit Anfang November. Den Gidio und die Requisiten haben er und seine Klassenkameraden in der Schule gestaltet und angefertigt. Dasselbe gilt auch für die Wagen, mit welchen der Gidio am Umzug von einem Ort zum anderen transportiert wird.

Grosse Verantwortung
Chris River selber sieht den Aufwand als Ansporn und profitiert davon. «Es ist schon viel Arbeit, aber das Organisieren bereitet mir bis jetzt viel Freude.» Auch für die Unterstützung der Klasse ist der «Pfarrer» sehr dankbar. «Meine Klassenkameraden haben mir bei allen Plänen unter die Arme gegriffen. Sie haben sich sofort für bestimmte Rollen, beispielsweise für jene als Polizeichef, gemeldet. Zwei Schüler werden während meiner Ansprache extra die Rede in der Hand halten.» Auch das Einsammeln der Christbäume für das grosse Feuer am Funkensonntag sei effizient und erfolgreich verlaufen. Die Arbeit, erklärt Chris River, wird hauptsächlich in der Freizeit erledigt. Zwei Wochen vor seiner Rede muss er eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger festlegen.Gerne gibt er auch Ratschläge auf den Weg. «Man sollte frühzeitig mit den Arbeiten anfangen und flexibel sein.» Nach der ganzen Organisation der vergangenen Monate ist das Planen für Chris River schon fast zu einem Hob­by geworden. Obwohl ihm das Pfarrersgewand gut steht, hegt er keine Wünsche, später einmal diese Tätigkeit auszuüben. Über seine berufliche Zukunft hat er sich schon Gedanken gemacht. Im Moment fällt die Auswahl entweder auf Polizist oder auf Lebensmitteltechnologe.

Leute
Trauern mal anders
Ein 14-Jähriger wird zum Pfarrer: Chris River aus Waldstatt wurde zum diesjährigen Gidio-Pfarrer ernannt. Er ist ein Teil des Appenzeller Brauchs «Gidio Hosestoss». Am Aschermittwoch wird das Dorforiginal Gidio Hosestoss, der an einem gestohlenen Leckerli erstickt ist, als Strohpuppe auf einem Wagen aufgebahrt und in einem fasnächtlichen Umzug in Herisau und Waldstatt zur Abdankung geleitet. Jedes Jahr wird eine Schülerin oder ein Schüler der Oberstufe auserwählt, eine humorvolle Trauerrede für den Anlass zu schreiben. Der Gidio-Pfarrer bestimmt die Todesursache und organisiert das Dorffest. Die Planung beginnt in der Regel schon im Herbst. Am Funkensonntag, dem Sonntag nach Aschermittwoch, wird Gidio Hosestoss dann auf dem Scheiterhaufen verbrannt und für den nahenden Frühlingsbeginn geopfert. (liw)