Nicht nur optisch ein guter Pfarrer

Jonas Wanner hat dieses Jahr die Verantwortung dafür, dass die Gidio-Anlässe in Waldstatt nach Plan über die Bühne gehen. (Bild: cg)


Appenzellerzeitung vom 8. Februar 2016

Jedes Jahr am Funkensonntag wird in Waldstatt der Gidio verbrannt. Wieso er stirbt und wie sein Leben war, bestimmt ein Schüler der Oberstufe. Nach neun Gidio–Pfarrerinnen hat dieses Jahr mit Jonas Wanner wieder ein Knabe das Amt.

CHRIS GILB

WALDSTATT. Hoch über Waldstatt wohnt der 14jährige Jonas Wanner, der diesjährige Gidio-Pfarrer. Sein Gewand passt ihm wie auf den Leib geschnitten. Lediglich wie die Kappe richtig getragen wird, weiss er beim Fotoshooting noch nicht genau: Haare rein oder doch Haare raus? Jonas Wanner testet. Der Papst trage doch auch so eine Kappe, aber wer noch? Wanner überlegt, aber ihm fällt niemand ein, dem er sonst noch das korrekte Tragen abschauen könnte. Auf dem Stubentisch stehen die «berüchtigten» Gidio-Ordner. Seit den 80er-Jahren wird darin das Gidio-Wissen gesammelt. «Die Reden werden zwar immer auf Schweizerdeutsch gehalten, in der Wegleitung für das Amtsjahr steht jedoch, dass sie auf Hochdeutsch geschrieben werden sollen.» Wanner zeigt auf den dicken Ordner mit Reden vergangener Anlässe. «Das kam mir komisch vor, deshalb habe ich sie auch auf Schweizerdeutsch verfasst.» Sein Vater habe ihm etwas dabei geholfen, gesteht er.

«Waldstätter» als Inspiration
Den Inhalt seiner vierseitigen Trauerrede, in der stehen muss, wie Gidio gelebt hat und weshalb er stirbt, darf er nicht preisgeben. Er verrät nur, dass die akribische Lektüre aller letztjährigen Ausgaben des «Waldstätters» sein Geheimnis zur Themenfindung war. «Das zentrale Thema der Rede, mit dem auch die Todesursache zu tun hat, ist etwas, das in letzter Zeit das Dorf bewegt hat», sagt Wanner. Seine Wahl hat er eher dem Zufall zu verdanken: Am Tag, als er Gidio-Pfarrer wurde, habe seine Vorgängerin erst versucht, andere zu erreichen, jedoch erfolglos. Ihn erreichte sie, und er nahm an. «Ich denke, es ist wichtig, dass ein Gidio-Pfarrer nicht allzu schlecht in der Schule ist, denn der organisatorische Aufwand, der mit dem Amt einhergeht, ist gross und braucht viel Zeit.» Er sei nicht allzu schlecht in der Schule und ausserdem Cevi-Leiter, das organisatorische Wissen von dieser Funktion sei ihm bisher zugute gekommen.

Bekenntnis zur Tradition
Eines der Hauptziele seiner Amtszeit war, einen Umzug auf der grossen Umzugsroute zu bieten und genügend teilnehmende Wagen für diesen zu finden. In den letzten Jahren fiel es seinen Vorgängerinnen nicht immer leicht, genügend Anmeldungen zu erhalten, einmal wurde sogar die traditionelle Route für den Umzug verkürzt, was in Waldstatt einen kleinen Konflikt auslöste. Die Waldstätter hätten aber zwischenzeitlich realisiert, dass ein zu kleiner Umzug dem Erhalt der Gidio-Tradition schade, sagt Wanner. Dies habe sicherlich dazu beigetragen, dass die Anmeldungen dieses Jahr unkompliziert eingegangen seien und auch die normale Route zurückgelegt werde. Auch mit der Unterstützung seiner Klasse ist der «Pfarrer» sehr zufrieden. «Für die Funktion des Polizei- und des Funkenchefs haben sich sofort ein Mitschüler und eine Mitschülerin gemeldet.» Auch das Einsammeln der Christbäume für das grosse Feuer am Funkensonntag sei effizient und erfolgreich verlaufen. «Meine Helfer und ich haben das Dorf zum Einsammeln in vier Zonen unterteilt, in kürze war die Scheune mit Christbäumen gefüllt.»

Pfarrergewand war vorrätig
Die letzten neun Mal war das Amt des Waldstätter Gidio-Pfarrers in weiblicher Hand, dies habe aber weniger mit dem Geschlecht als mit dem Geschlechterverhältnis in der Schule zu tun, sagt Wanner. Das Pfarrergewand habe es trotzdem noch für ihn gegeben. Selber Pfarrer werden wolle er nicht, obwohl ihm dieser Beruf mindestens äusserlich gut steht. «Mir ging es bei der Amtsübernahme einfach darum, mich für den Erhalt einer Tradition einzusetzen, die ich seit Kindesbeinen kenne.»

Was er selbst in Zukunft beruflich werden wolle, wisse er noch nicht. In kürze beginne die Schnupperzeit, dann werde er weitersehen. Und wie stirbt der Gidio 2016? Nein, das verrate er nicht. Emsige Leser des Waldstätter Dorfblattes kommen vielleicht trotzdem darauf.