Schellenschmied mit Leidenschaft


Das Formen der Schellen erfordert viel handwerkliches Geschick. (Bild: mbr)

Appenzellerzeitung vom 17. Januar 2014

Peter Preisig stellt Schellen nach traditionellem Handwerk her. Schellen fürs Brauchtum haben für Peter Preisig eine besondere Faszination. In jahrelanger Arbeit hat er sich die traditionelle Herstellung zum grossen Teil selber
beigebracht.

MARTIN BRUNNER

WALDSTATT. Peter Preisig ist als Appenzeller intensiv mit dem Brauchtum dieser Region verbunden. Darin haben Chlauserollen und -schellen, Weideschellen sowie die berühmten Senntumsschellen einen hohen Stellenwert, sei dies in der Alpsaison oder beim Silvesterchlausen. Deshalb reifte in Preisig bereits vor fast zwanzig Jahren ein spezieller Gedanke. «Ich wollte, dass die aussterbende Schmiedekunst in der traditionellen Art und Weise, also wie vor Hunderten von Jahren, erhalten bleibt», erzählt er. «Deshalb entschloss ich mich, dieses Handwerk zu erlernen.»

Schwieriger Weg
Doch einfach war der Weg zum Schmied nicht. Wohl wusste Preisig, dass drei dieser traditionellen Schmiede im Tirol im gleichen Dorf lebten und arbeiteten. Einzig Vinzenz Haueis erzählte ihm aber das eine und andere, allerdings ohne praktische Arbeit. «Das Schmieden war lange Zeit der Verdienst dieser Leute», sagt Preisig. «Deshalb verstand ich, dass er nicht alle seine Berufsgeheimnisse offenlegen wollte.» Leidenschaft und Wille waren unterdessen aber so gross, dass Preisig 1998 in Waldstatt seine eigene Schmiede einrichtete. Eine aufwendige Zeit des Pröbelns und Tüftelns begann.

Fünf traditionelle Schritte
Bei der Herstellung folgt der gelernte Carrosseriespengler den fünf wesentlichen Schritten. Das beginnt mit der Wahl der Kohle. «Steinkohle eignet sich besonders für dickere Schmiedeteile», erklärt er. «Holzkohle kann zum Schmieden wie auch zum Feuervermessingen angewendet werden.» Aber auch die Auswahl des richtigen Blechs ist entscheidend. «Beim Schmiedeprozess besteht die Herausforderung darin, das Material in die richtige Form zu bringen.» Kompliziert wird es bei der Oberflächenbeschichtung, dem «Vermessingen». «Die traditionellste Art ist jene mit der Lehmpackung, in der das Messing schmilzt und sich auf der Oberfläche verteilt.» Allerdings machte Preisig während rund fünf Jahren ungefähr 80 Versuche, um die richtige Lehmmischung zu finden und den geeigneten Brennofen für diesen Prozess zu konstruieren. Kommt das Stimmen dazu, indem er den unteren Teil einer Schelle bearbeitet, womit sich der Ton leicht variieren lässt.

Drei besondere Schellen
Eine besondere Herausforderung sind und bleiben die Senntumsschellen. «Die Herstellung dieser Schellen ist die Königsdisziplin in der Schmiedekunst», erzählt Preisig. «Denn die drei Schellen sind harmonisch aufeinander abgestimmt. Das bedeutet, dass schon während der Herstellung, aber auch am Schluss beim Stimmen grosses handwerkliches Wissen notwendig ist.» Genau bei diesem heiklen Stimmvorgang steckt Preisig im Moment allerdings fest. Er sieht dies als grosse Herausforderung für die Zukunft und ist sicher, dass er auch diesen Teil in den Griff bekommen wird.

Bei all seinen Arbeiten, die Preisig heute jeden Freitag in seiner selber eingerichteten Werkstatt im Marstal zwischen Gossau und Herisau verrichtet, fühlt sich der Schmied in eine archaische Welt zurückversetzt. «Die Faszination besteht darin, dass aus einem einfachen Ausgangsmaterial ein reichhaltiges Klanginstrument entsteht. Spannend ist aber auch die Arbeit mit den alten vier Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer.»