Die Kläuse kommen wieder

Bild: Astrid Zysset Walter Tanner präsentiert die Haube der «Blatten-Schuppel», mit welcher er dieses Jahr unterwegs ist.


Herisauer Nachrichten vom 10. Januar 2014

Kommenden Montag sind die «Schöne» und «Wüeschte» wieder in Waldstatt unterwegs. Ein Brauchtum, dessen Ursprung im Dunkeln liegt. Dennoch erfreut er sich Jahr für Jahr steigender Beliebtheit.

Waldstatt gelte bezüglich «alter Silvester» als Geheimtipp, ist Walter Tanner, Tourismusdirektor und selbst von Kindesbeinen an Silvesterklaus überzeugt. Neben Urnäsch und Teilen Hundwils ist Waldstatt die einzige Gemeinde im Ausserrhodischen, welche den Jahreswechsel noch nach dem Julianischen Kalender am 13. Januar feiert. Das Brauchtum des Silvesterklausens hätten die Waldstätter dabei von den Urnäschern übernommen, so der ebenfalls ins Waldstatt wohnhafte Hans Eugster, der sich seit Jahren mit dem Klausen auseinandersetzt. «Die ersten Kläuse hier waren erstmals in den 1950er Jahren unterwegs. In Urnäsch war dies viel früher der Fall.» Wann genau, lässt sich heute aber nicht mehr eruieren. Urnäsch kann sich Jahr für Jahr während des alten Silvesters kaum vor Touristen retten. In Waldstatt sieht die Situation anders aus. Zwar wird die Gemeinde auch von vielen Schaulustigen heimgesucht, sind es jedoch eher solche aus der naheren Umgebung. Mit einer Konsequenz: Das Brauchtum ist ursprünglich geblieben. «Waldstatt ist was für Kenner, für diejenigen, welche die Kläuse noch ungestört erleben möchten», so Tanner.

Ein Besuch als Privileg
Zwischen 32 und 40 «Schuppel» sind jeweils unterwegs, wobei jeder einzelne aus normalerweise sechs bis sieben Kläusen besteht. Morgens um fünf Uhr geht es los. Von Haus zu Haus ziehen sie. Stunde um Stunde. Bis zum nächsten Tag; traditionsgemäss wird um Mitternacht auf den 14. Januar mit denjenigen Schellen mit dem dumpfesten Klang «überegchlauset». Dann aber verstummen sie. Die Kläuse ziehen sich zurück. Eine feste Route, in welcher Reihenfolge die «Schuppel» die Häuser besuchen, gibt es jeweils nicht. «Wenn wir sehen, andere Kläuse stehen schon da, ziehen wir weiter», so Tanner. Weiter zu denjenigen, welche ebenfalls Freude an dem Brauchtum haben. Längst wird nicht jede Liegenschaft aufgesucht. «Ja, es ist ein Privileg, wenn die Kläuse zu einem kommen.» Entsprechend wird ihnen als Dank und Zeichen der Wertschätzung Glüh- oder Weisswein offeriert – oder aber auch mal ein Glas Wasser. Tanners selbst bewirtschaften rund 15 Schuppel vor ihrem Haus. «Ja, wir zelebrieren hier den alten Silvester im grossen Stil.»

Ursprung ungewiss
Über Weihnachten/Neujahr werden jeweils die Kostüme der «Wüeschte» gefertigt. Deren Hauptbestandteil: Tannenzweige, Stroh und Heu. Ganz schön schwer, vor allem wenn es während des Klausens zu regnen beginnt und das Wasser aufgesogen wird. Bis zu 40 Kilogramm kann dann ein Kostüm auf die Waage bringen. Doch Tanner lacht nur: «Wenn am nächsten Tag nicht etwas weh tut, war es nicht richtiges Klausen.» Die riesigen, prachtvoll verzierten Hüte der «Schönen» werden hingegen aufgrund des riesigen Aufwands nur alle vier, fünf Jahre erneuert. Besonderer Clou dieser Hauben: Ein bestimmtes Thema steht jeweils im Vordergrund. So waren bereits der Alpaufzug, ausgestopfte Tiere oder auch das Leben eines Bauern abgebildet. Doch warum wird überhaupt zwischen «Schöne» und «Wüeschte» unterschieden? Hans Eugster findet eine Erklärung zur Unterscheidung im möglicherweise heidnischen Ursprung des Brauchs. «Die 'Schöne' brachten die guten, die 'Wüeschte' hingegen vertrieben die bösen Geister eines Hauses.» Festlegen will sich Eugster allerdings nicht. Auch die Varianten des «Bettelklausens» oder diejenige des französischen St.Nikolaus als Ursprung lassen sich nämlich für das Aufkommen des Silvesterklausens darlegen.

Brauch in der Familie verwurzelt
Walter Tanner ist in diesem Jahr erstmals als «Schöne» unterwegs. Eigentlich hatte er bereits vor fünf Jahren beschlossen, beim Silvesterklausen nicht mehr beizuwohnen. Doch zwischendurch half er dann trotzdem wieder mal aus; so auch heuer. Die besondere Faszination, die vom Brauchtum ausgeht, scheint ihn nicht mehr loszulassen. Bereits sein Vater war als Klaus unterwegs – damals noch in Herisau, sein Bruder und die vier Kinder Walter Tanners liessen sich ebenfalls vom Klausenfieber mitreissen. «Wenn der Brauch in der Familie verwurzelt ist, wächst man mit diesem auf. Er wird irgendwann ganz selbstverständlich.» In Frage gestellt wird das Klausen nie, und der Entscheid, definitiv nicht mehr am alten Silvester um die Häuser zu ziehen, fällt schwer. Ein Vorteil hat dieses langjährige Engagement allerdings: Walter Tanner sieht die Veränderung, welche im Klausen Einzug gehalten hat: «Die Zäuerli waren früher kürzer.» Der traditionelle, fröhliche Gesang der Kläuse ist längeren Jodelpartituren gewichen. «Schade», so Tanner. Denn: «Früher konnten wir ein grösseres Repertoire unseres Sangeskönnens darbieten.» Nichtsdestotrotz ist Tanner gerne als Klaus unterwegs: «Wenn ich die Freude und sogar manch eine Träne in den Augen der Besuchten sowie der Touristen sehe, weiss ich, die ganzen Strapazen haben sich doch wieder gelohnt.»
Astrid Zysset