Zwei Schweizer Meisterinnen

Cindy Blatter und Elanur Muhcu, die beiden erfolgreichen Schülerinnen der Asia Sportschule in Herisau, freuen sich über ihren Erfolg. (Bild: eg)



Appenzellerzeitung vom 16. November 2013

Cindy Blatter und Elanur Muhcu haben vor einer Woche einen sportlichen Höhepunkt ihrer noch jungen Karriere erlebt. Die beiden 15-Jährigen sind von den Schweizer Meisterschaften in Qingda mit Gold und Silber nach Hause gekommen.

MONIKA EGLI

WALDSTATT. Angefangen hat es mit einem Streit, und zwar einem handfesten: «Wir haben einander an den Haaren gepackt.» Zur Strafe mussten sie zusammen nachsitzen. Während dieser Stunde fanden sie heraus, dass sie sich eigentlich ganz gut mögen. Das war in der vierten Klasse. Unterdessen besuchen sie in Parallelklassen die 3. Sek und sind beste Kolleginnen. Am letzten Sonntag haben sie in Lausanne an den Qingda-Schweizer-Meisterschaften in ihren Gewichtsklassen Gold und Silber gewonnen: Cindy Blatter und Elanur Muhcu, beide 15jährig, beide aus Waldstatt.

Cindy: «Mit vollem Herzblut»
Cindy ist die Goldgewinnerin. Sie ist auch schon länger eine Kampfsportlerin, eine kompromisslose, die es kaum zwei Tage hintereinander ohne Training aushält. Vor vier Jahren hat sie mit Kung Fu angefangen, vor Jahresfrist kam Qingda dazu. Das Kung Fu hat sie nun aufgeben müssen, weil sich die Trainingszeiten mit ihrer Praktikumsstelle nicht mehr vereinbaren liessen. Stattdessen ist jetzt noch Jiu Jitsu dazugekommen. Praktikumsstelle und 3. Oberstufe? Cindy erzählt, dass sie sich lange, bereits in der Primarschule, im Unterricht unterfordert fühlte. Die Langeweile – trotz zusätzlichem Latein- und Spanischunterricht – ging so weit, dass ihr die Schule gänzlich verleidet sei. Die Lehrer haben das Problem erkannt: Sie kann nun an zwei Tagen pro Woche ein Praktikum in einer Waldstätter Firma absolvieren. Während der restlichen drei Tage muss sie – zusätzlich zum regulären Unterricht – den verpassten Schulstoff selber aufarbeiten. Das klappt offenbar gut, obwohl sie an jedem einzelnen Abend und manchmal noch am Samstagmorgen ins Training geht. Irgendwann, als noch kleines Mädchen, habe sie von Kung Fu gehört und sei fasziniert gewesen. «Meine Eltern haben das aber nicht ernst genommen.» Als sie elfjährig wurde, wünschte sie sich Kung-Fu-Unterricht als Geburtstagsgeschenk. Ihre Mutter erfüllte ihr den Wunsch, «und seither bin ich mit vollem Herzblut dabei».

Elanur: «Schule geht vor»
Elanur, die mit einer Silbermedaille von Lausanne zurückgekehrt ist, hat sich zwar ebenfalls früh für Kampfsport interessiert, musste aber schliesslich doch vom Bruder zum Training gedrängt werden. In ihrer Familie, sie stammt aus der Türkei, ist Kampfsport durchaus ein Thema: Der Schwager war Thai-Boxer, der Bruder ist ein grosser Bruce-Lee-Fan. Dass allerdings die Tochter als Kampfsportlerin aktiv wurde, «daran musste sich mein Vater zuerst gewöhnen». Elanur will auf jeden Fall die Schule gut abschliessen und hat deshalb nicht so viel Zeit fürs Training. «Ich gehe aber mindestens zwei Mal pro Woche und übe daneben auch oft zu Hause.» Auch sie hat mit Kung Fu angefangen und dann – noch vor Cindy – das Qingda entdeckt. Unterdessen interessiert sie sich auch noch für Aikido. Elanur hat sich aber nicht mit Leib und Seele dem Kampfsport verschrieben. Sie hört auch gerne Musik, geht in den Ausgang, und ihre grosse Leidenschaft ist der Rap. Sie hat schon einige Texte geschrieben, denn «beim Texten kann ich meine schlechte Laune abreagieren».
Cindy hat früher einmal Querflöte gespielt und ist in die Jugi gegangen. Sie hat diese Freizeitbeschäftigungen zugunsten des Kampfsports aber aufgegeben. Immerhin: «Ab und zu opfere ich auch einmal einen Trainingsabend und gehe in den Ausgang.» Sogar ihre schönen langen Haare hat sie ganz kurz geschnitten, weil es im Training bequemer sei.

Ausbildungen aufgegleist
Die beiden jungen Frauen haben klare Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft. Elanur wird nächsten Sommer in der Berit Klinik in Niederteufen die Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit in Angriff nehmen. «Eigentlich», erzählt sie, «wollte ich immer Ärztin werden.» Unterdessen findet sie aber, dass ihr die Praxis besser liegt als die Theorie. «In die Kantonsschule zu gehen, wäre mir <zu viel Schule> gewesen.» Sie wolle sich nach der Lehre noch zur Technischen Operationsassistentin weiterbilden. Auch Cindys Berufswünsche gingen zuerst in Richtung Medizin, und zwar Tiermedizin. Aber auch sie sagt, dass die Kantonsschule nicht in Frage gekommen sei, weil sie sich zu sehr gelangweilt habe. Da sie von Chemie und Physik fasziniert ist, lässt sie sich nun zur Chemielaborantin ausbilden. Parallel zur Lehre wird sie die Berufsmaturitätsschule absolvieren. «Das lässt die Möglichkeit eines späteren Studiums offen.»
Die beiden jungen Frauen trainieren in der Asia Sportschule in Herisau und sind voll des Lobes: «Wir sind wie eine Familie und erhalten jede Unterstützung.» So wollen sie denn auch unbedingt, dass ihre beiden erfolgreichen Kollegen an den Schweizer Meisterschaften ebenfalls erwähnt werden. Es waren dies Gil Kaufmann und Tale Basic, die beide in ihrer Gewichtsklasse den 3. Platz in Sanda light belegten.