Kollektive Trauer um Gidio

Rahel Hollenstein entscheidet, wie Gidio Hosestoss dieses Jahr sterben wird. (Bild: mf)


Appenzeller Zeitung vom 12. Februar 2013

WALDSTATT. Welchen qualvollen Tod erleidet Gidio Hosestoss dieses Jahr in Waldstatt? Das weiss bis morgen nur Rahel Hollenstein. Die 14-Jährige ist die diesjährige Gidio-Pfarrerin, und sie bestimmt die 103. Todesursache des bemitleidenswerten Gidio.

MARKUS FÄSSLER

Morgen Mittwoch verfällt ein Grossteil des Appenzeller Hinterlandes einmal mehr in kollektive Trauer. Der allseits beliebte und hoch geachtete Gidio Hosestoss wird sterben – einmal mehr. In Herisau erliegt er traditionell einem qualvollen Erstickungstod – Schuld daran ist ein Leckerli. In Waldstatt hingegen bestimmt jeweils eine Schülerin oder ein Schüler der 2. Oberstufenklasse, wie es mit Gidio zu Ende gehen soll. Heuer ist dies die 14jährige Rahel Hollenstein. Sie lässt Gidio Hosestoss zum 103. Mal sterben.

In einem Stück geschrieben
Zu den wichtigsten Aufgaben der Gidio-Pfarrerin oder des Gidio-Pfarrers gehört jeweils das Schreiben der Trauerrede. Bei Rahel Hollenstein umfasst diese ganze vier Seiten. «Ich wollte eines Abends anfangen und dann Stück für Stück schreiben», sagt sie. Dazu ist es aber nie gekommen. Einmal bei der Arbeit, gab es für sie kein Halten mehr. Nach dreieinhalb Stunden war das Werk vollendet. Traditionell stirbt Gidio Hosestoss im Zusammenhang mit einem aktuellen Ereignis des vergangenen Jahres. Welch qualvollen Tod er dieses Mal erleben wird, behält die Gidio-Pfarrerin natürlich bis zu ihrer Rede vor versammelter Trauergemeinde am Mittwoch für sich. Die Ideen für die verschiedenen Erlebnisse in Gidios mit Höhepunkten reich befrachtetem Leben hat Rahel Hollenstein das ganze Jahr über gesammelt. Dazu erhielt sie Tips von ihrer Mutter und einem Waldstätter, der für sie die wichtigsten Ereignisse aus dem Dorf aufgeschrieben hat.
Nebst der Trauerrede trägt Rahel Hollenstein die Verantwortung für eine ganze Reihe weiterer Aufgaben. Schliesslich ist sie für die Organisation eines Dorffestes verantwortlich. Hierfür hat sie von ihrer Vorgängerin Nathalie Müller drei Ordner mit Unterlagen und eine Checkliste, die jeweils von Amtsträgerin zu Amtsträgerin weitergegeben wird, erhalten. «Es ist eine ehrenvolle, aber auch sehr anspruchsvolle Aufgabe, die man nicht unterschätzen sollte», sagt sie. Nebst ihrer Lehrerin und der Familie standen ihr Helferinnen und Helfer aus der Schulklasse zur Seite. Diese haben unter anderem den ganzen Funkensonntag organisiert oder den Leichenwagen gestaltet.

Herausforderung Sujetwagen
Gerade die Sujetwagen für den Umzug wurden dieses Jahr für die Gidio-Pfarrerin zur grossen Herausforderung. Anfangs haben sich nur gerade vier Gruppen angemeldet. «Die meisten haben kein passendes Thema gefunden», so Rahel Hollenstein. Dank Überzeugungskraft und der verlockenden Preise für die Gewinner gelang es ihr aber, weitere Schülerinnen und Schüler zu ermutigen, doch noch an der Parade mitzuwirken. So kamen insgesamt neun Sujetwagen zusammen.
Eine Nachfolgerin hat Rahel Hollenstein bereits gefunden. Wer das ist, wird aber ebenso wenig verraten, wie Gidios Todesursache.
Der Waldstätter Gidio-Umzug startet morgen Mittwoch um 14 Uhr, Besammlung ist um 13.30 Uhr beim Schulhaus Waldstatt. Der Funkensonntag findet am 17. Februar im «Gschwend» statt. Besammlung dafür ist um 18.30 Uhr beim Parkplatz des MZG.