Grosse Strapazen meistert der Kopf


Appenzeller Zeitung vom 5. Oktober

Als Samuel Lutz und sein Kollege auf dem Säntis sassen, hatten sie erst ein Drittel der Strecke geschafft. Sie sahen ihr Ziel, den Hohen Kasten, zu dem sie auf Umwegen weiterjoggten.

GERT BRUDERER

An einem Freitagabend, 23 Uhr, hatten sich der Lüchinger Samuel Lutz und Philemon Bommeli aus Waldstatt auf den Weg gemacht. 21 Stunden, 1 Minute und 40 Sekunden später waren 5211 Höhenmeter überwunden und eine Strecke von 86,5 Kilometern zurückgelegt. Weil hundert Höhenmeter einem so genannten Leistungskilometer entsprechen, haben die beiden Zwanzigjährigen in der genannten Zeit 138,16 Leistungskilometer hinter sich gebracht.

In Nizza lernten sie sich kennen
Bauschreiner Samuel Lutz und Elektroinstallateur Philemon Bommeli (beide mit Berufsmatura) haben sich bei einem Sprachaufenthalt in Nizza kennengelernt. Weil der Lüchinger eine Bergjacke trug, war er Philemon aufgefallen. Und siehe da: Es waren sich zwei mit gleichen Interessen begegnet. Samuel Lutz wollte schon damals Fallschirmaufklärer werden, Philemon Helikopter-Pilot.

Inzwischen möchten beide beides werden, eine erste Hürde ist geschafft: Die Kollegen gehören zu jenen rund zehn Prozent, die nächstes Jahr die Rekrutenschule beim Kommando Spezialkräfte absolvieren dürfen, als Anwärter für Fallschirmaufklärer. Erste Fallschirmsprünge haben beide hinter sich, Samuel hat sogar schon das Brevet, Philemon bald.

Der Whiskytreck war für die beiden der Anlass
Natürlich müssen Menschen, die in den Bergen in nicht einmal einem Tag 86,5 Kilometer zurücklegen, sehr sportlich sein. Samuel Lutz und Philemon Bommeli klettern, laufen, balancieren auf der Slackline. Die erste haben sie gemeinsam in Nizza für 50 Euro gekauft, die letzte Slackline, die Samuel Lutz sich gönnte, hat 1800 Franken gekostet.

Der Anlass für ihre gemeinsame Topleistung im Alpstein war der Appenzeller Whiskytreck, eine touristische Spezialität: Zu absolvieren ist eine Tour mit 27 Stationen; in so vielen Gasthäusern wird je ein anderes 10-cl-Whiskyfläschchen entgegengenommen, so dass am Ende eine hübsche, begehrte Sammlung entsteht. Samuel Lutz und sein Kollege haben sich aber nicht des Whiskys wegen, sondern allein aus sportlichen Gründen auf den Weg gemacht. Gegenseitig haben sie sich immer wieder angespornt. Verlor einer markant Energie, riss der andere ihn weiter. «Viel findet im Kopf statt», sagt Samuel Lutz. Als er und Philemon drei Stunden vor dem Ziel erkannten, dass ihr grosses Ziel erreichbar war, hatte dies einen Energieschub zur Folge. «In der letzten Stunde», sagt Philemon Bommeli, «sind wir wieder gerannt.» Und dies, obschon die Füsse schmerzten. Bis dahin war man zügig bergauf marschiert, abwärts und geradeaus joggten die beiden.

Vorher nie mehr als 21 Kilometer zurückgelegt

Vor dem Alpstein-Abenteuer waren Samuel Lutz und Philemon Bommeli nie weiter als 21 Kilometer gelaufen. Insofern war der Whiskytreck für sie eine Grenzerfahrung.

Die Spezialuhr des Lüchingers, die einiges kann, hat 105 000 Schritte gezählt. Und das nach einem strengen Arbeitstag auf dem Bau!

Zu Hause sanken Samuel und Philemon nach all den überstandenen Strapazen trotzdem nicht sogleich vor Müdigkeit ins Bett.